"Auf Wiedersehen Friesland! Im nächsten Jahr, zu 100 Tage Arcadia, sehen wir uns bestimmt wieder.“ Mit diesem Satz endete mein Artikel im Nach-Holland-Blog zu unserer Friesland-Reise im Dezember.

Und wir haben Wort gehalten, wir sind zurück. Zurück in Oranjewoud und in der Provinz-Hauptstadt Leeuwarden. Das Kultur-Festival Arcadia hat begonnen und wir sind neugierig, was uns erwartet.

Kunst im Paradies

Paradys nennt sich der Teil des Kulturprogramms, das sich in Oranjewoud abspielt. Ein Paradies war dieses Gebiet im 17. Jahrhundert wohl auch, als sich eine Prinzessin der Oranier hier ihre Sommerresidenz bauen ließ. Zumindest für die Herrschaften, die hier große Parkanlagen und Wälder anlegten, um sich beim Spaziergang oder der Jagd zu vergnügen.  

15 internationale Künstler wurden eingeladen, um sich mit dem Ort und seiner Entstehung auseinanderzusetzen. Einzutauchen in die unterschiedliche Natur des ehemaligen Landguts und ihre Gedanken zum Thema Paradies künstlerisch zu verarbeiten. Den Platz für ihr entstandenes Werk haben die Künstler selbst bestimmt. Im Wald, im Park oder auch in einer Kirche sind ihre Arbeiten während der 100 Tage Arcadia zu finden.

Wir machen uns mit dem Fahrrad auf den Weg, um die Kunstwerke von Paradys zu entdecken. Im Info-Pavillon bekommen wir einen Plan mit den Lokalitäten und einer kurzen Beschreibung zu jedem Kunstwerk. Mithilfe eines QR-Codes erhalten wir außerdem Zugang zu einer online Audio-Tour mit weiteren Infos zum jeweiligen Künstler und seinem Werk.

Die Kunst, die wir zu sehen bekommen, ist divers. Skulpturen wie die große Figur aus Mahagoni-Holz eines Künstlers aus Kongo oder ein Werk einer britischen Künstlerin aus den Knochen eines Hirschs, das an die herrschaftlichen Vergnügungsjagden erinnert.

Wir sehen Objekte, die mit Illusion und Reflexion spielen und erleben Audio- und Videokunst. Diana Scherer ließ Wurzeln zu überdimensionalen Kleidern wachsen und Kasper Bosmans verwandelt den Boden einer kleinen Kirche in einen Vogelzug aus Marmor.

Faszinierende Kunst mit Spiegeln, die Realität und Illusion verschwimmen lässt

2,5 m hoch sind die Kleider aus Wurzelwerk von Diana Scherer

Steine und Natur

Auch die Ecokathedraal, die ihren Anfang schon in den 70er-Jahren hat, ist Teil von Arcadia. Zwar ist Louis de Roy schon vor zehn Jahren verstorben, seine Idee, die Kreativität des Menschen mit der Natur zu verbinden, lebt in der Öko-Kathedrale fort. Längst sind die sorgfältig aufgestapelten Mauer- und Pflastersteine vom Grün überwuchert. Die Mauern und Türme kommen einem wie die Überreste einer verfallenen Zivilisation vor und ich fühle mich als wahrer Entdecker.  

Was die Öko-Kathedrale zu meinem persönlichen Highlight von Paradys macht, ist die Performance von Alexandra Pirici. „Building Blocks“ ist nicht nur perfekt auf den Ort zugeschnitten, die Performance vollendet die Bauwerke geradezu. Menschliche Körper, langsame Bewegungen sowie Töne sind das Werkzeug der Künstlerin.

Schauen wir erst noch etwas verwundert auf die Darsteller, folgen wir ihnen kurz darauf neugierig in die Welt aus Backsteinen und Natur. Faszination ersetzt sehr schnell die Verwunderung und ich merke, wie sich beim Zuschauen eine innerliche Ruhe und Entspannung in mir breit macht. Ein wirklich fabelhaftes Erlebnis.

Nach rund vier Stunden beenden wir unsere Paradys-Tour. Ich könnte durchaus noch mehr Zeit hier verbringen, aber wir wollen heute noch weiter nach Leeuwarden. Wer möchte, kann auch direkt hier vor Ort im Parkhotel Tjaarda übernachten, wir kehren dort heute jedoch nur zum Essen ein. Im Grand Café stehen sowohl Heilbutt als auch Ente auf der Tageskarte und beides schmeckt wirklich hervorragend.

Start der Performance am Eingang der Öko-Kathedrale

Mit Körpern wird an den Bauwerke aus Stein weiter gebaut

Michelangelo lässt grüßen

Ein Wald in Leeuwarden

Mit dem Auto geht es dann ins 40 km entfernte Leeuwarden, wo wir uns ins Boutique Hotel Catshuis einquartieren. Eine gute Wahl stellt sich schnell heraus. Unser Zimmer ist nicht nur sehr groß und schick eingerichtet, wir haben auch Sicht auf die Gracht vor dem Haus. Wir schlafen herrlich in sehr feiner Bettwäsche und genießen die nächtliche Ruhe.

Am Morgen lässt das Frühstück im Restaurant nebenan, das zum Hotel gehört, keine Wünsche offen. Gestärkt für den Tag sind wir bereit für den 2. Teil von Arcadia – Bosk.  Das Herzstück von Bosk ist ein sich durch die Stadt bewegender Wald. In 100 Tagen legt er rund 3,5 km zurück und verbleibt jeweils eine gute Woche auf den insgesamt elf Stationen.

„Ich gebe zu, ich kann es mir nicht so richtig vorstellen und ich bin sehr neugierig, wie das umgesetzt wird“, schrieb ich nach unserem Besuch im Dezember. Heute wollen wir endlich unsere Neugierde befriedigen.

Als wir auf dem Turfmarkt ankommen, wo der Wald sich gerade befindet, sind wir geplättet. Auch zu normalen Zeiten stehen in dieser Straße große Bäume und es ist eigentlich ziemlich grün. Aber das ist kein Vergleich zu jetzt. Keine Autos parken hier mehr, es stehen nur noch Bäume links und rechts. Die Veränderung ist immens und die Atmosphäre eine völlig andere.

Wir werden von Erik angesprochen, der zusammen mit zwei Kollegen Infomaterial an Interessierte verteilt. Er arbeitet bei der Gemeinde, erzählt er uns, und er ist einer der 100 Personen, die den Wald „gebaut“ haben.

In zwei Monaten Zeit wurden 1200 Bäume und 40.000 Unterpflanzen in 800 große Kästen gepflanzt, erfahren wir. Jeder Kasten wiegt zwischen 1500 und 3000 kg und kann mithilfe eines Gabelstaplers durch die Stadt wandern. An jedem Kasten befindet sich ein QR-Code, der beim Scannen Auskunft über die Baumsorte und über den Feuchtigkeitshaushalt gibt.

Vogelstimmen und Naturgeräusche aus imitierten Vogelkästen an den Bäumen machen die Waldstimmung perfekt. Da wünscht man sich doch, dass dies genau so dauerhaft bleiben könnte.

Nach der Ankunft in Leeuwarden, geht es zu unserem Hotel, das schön an einer Gracht liegt

Wir haben nicht nur sehr viel Platz in unserem Zimmer, wir haben auch eine tolle Aussicht

Der wandernde Wald bringt eine wunderbare Atmosphäre in die Stadt

Nicht ohne Stolz erzählt uns Erik viel Wissenswertes über die Entstehung von Bosk

Kleine Leute

Auch die Miniature People Leeuwarden, die winzigen Figuren, die man überall in der Stadt entdecken kann, sind im Bosk Fieber. Zum Thema passend gibt es eine eigene Bosk-Tour, auf der uns Gärtner, Wanderer und andere Natur-Fans in Millimeter-Größe begegnen. Es macht richtig Spaß, die Miniaturen in Mauerritzen und Fensternischen zu suchen. Eine so tolle Idee, um die Stadt zu entdecken und sicher für Familien mit Kindern ideal.

Ein Tag in Leeuwarden ist natürlich nicht komplett ohne einen Besuch von „Love“. Mehr Kunstwerk als Brunnen, ist Love Teil der 11fountains von Friesland. Ich mag ihn sehr und obwohl ich ihn schon mehrfach gesehen habe, ist es heute das erste Mal mit dem dazugehörigen Nebel. Endlich!

Gleich nebenan, im Restaurant Sophias, beschließen wir den Tag. Für den wunderbaren City Garden, einem großen Außenbereich im Innenhof, ist es heute leider zu kalt. Von den sommerlichen Temperaturen der letzten Tage ist leider nicht mehr viel übrig. Aber auch die Inneneinrichtung mit großer Bar und offener Küche kann sich sehen lassen. Klassische Gerichte mit einem modernen Twist verspricht das Menü und wir werden nicht enttäuscht. Das Essen schmeckt wirklich ausgezeichnet.

Bei den kleinen Leute steht heute Gartenarbeit auf dem Programm

...danach geht es zum Radeln in die Natur

Der Entwurf des Fountain Love stammt vom Künstler Jaume Plensa

Das Essen bei Sophias ist ein Genuss für Auge und Gaumen

Gemaltes Licht

Unseren Besuch in Friesland beschließen wir am nächsten Tag, wie wir ihn begonnen haben - mit Kunst. Das Fries Museum lockt mit neuen Ausstellungen, die wir uns nicht entgehen lassen wollen. Bevor wir uns der Malerei widmen, schauen wir uns aber erst noch Fertile Grounds an.

Christien Meindertsma widmet sich in dieser Ausstellung der typisch friesischen Landschaft, den Moorweiden. Moore sind große CO2-Speicher, die durch fortschreitende Austrocknung bedroht sind. Die zukünftige Nutzung und die Veränderung dieser Gebiete sind Thema und Ausgangspunkt einer angestrebten Diskussion, die Teil ihrer Arbeit ist.

Weniger Nachdenklichkeit, mehr Genuss erwartet uns anschließend im 2. Stock des Museums. Dem französischen Licht von Maris bis Monet ist die wundervolle Ausstellung À la Campagne gewidmet. Wir dürfen blühende Gärten und Meeresküsten bewundern. Auf Gemälden eingefangene Stimmungen bei weichem Abendlicht sowie drohendem Unwetter. Künstler wie Pissarro, Renoir, Gauguin und Cézanne zeigen uns die von Künstlern so geliebte Natur Frankreichs. Was für ein Fest fürs Auge!

Die Moorweiden in Friesland sind Thema bei Fertile Grounds

Herausragende Kunst von renommierten Künstlern im Fries Museum

Reiseinfos zum Kultur-Festival Arcadia

Arcadia ist eine Kunst- und Kultur-Triennale in der Provinz Friesland, deren erster Teil vom 6. Mai bis zum 14. August 2022 stattfindet. Im Jahr 2018 war Leeuwarden / Friesland Europäische Kulturhauptstadt und Arcadia ist sozusagen die Nachfolge-Veranstaltung. Große und kleine  Kunst-Projekte, Veranstaltungen, Diskussionen und mehr machen Arcadia aus. Alle Informationen und Daten findet ihr hier auf der Website.

Anschauen solltet ihr auch das Kunstwerk Gaia, eine beleuchtete Erdkugel mit einem Durchschnitt von 7 m vom britischen Künstler Luke Jerram. Gaia macht Station in mehreren Orten in Friesland, u.a. auch in Lemmer und Bolsward. Die genauen Termine findet ihr hier.

Und natürlich solltet ihr nicht vergessen, dass in diesem Jahr wieder die Tall Ship Races in Harlingen stattfinden. Das Datum 14. – 17. Juli solltet ihr euch also unbedingt vormerken.

Paradys - Kunst im idyllischen Oranjewoud

Kon. Julianaweg 98, Oranjewoud

Der Besucher-Pavillon liegt gegenüber des Parkhotel Tjaarda.

• Geöffnet Donnerstag bis Sonntag, 10 – 17 Uhr
• Rundtour inkl. Audio-Tour: € 15,- Kinder und Jugendliche bis einschl. 15 Jahren gratis. Die Audio-Tour steht leider nur auf Niederländisch zur Verfügung. Informationen auf Englisch zu den Künstlern und Kunstwerken findet ihr hier.

Die Performance „Building Blocks“ von Alexandra Pirici ist nur an einigen Wochenenden zu sehen. Die Termine sind 18. + 19. Juni, 9. + 10. Juli und 30. + 31. Juli. Die genauen Zeiten erfährt man im Info Pavillon, meist zu jeder vollen Stunde am Nachmittag zwischen 13 und 16 Uhr.

Die gesamte Paradys-Tour ist ca. 10 km lang, wobei sich einige Kunstwerke in näherer Umgebung des Pavillons befinden. Die Tour kann zu Fuß oder mit dem Fahrrad gemacht werden. Fahrräder stehen im Pavillon bereit und können mithilfe der Glimble App, die ich auch bereits auf der Nahverkehrs-Seite vorgestellt habe, gemietet werden. Auch im Hotel könnt ihr Fahrräder ausleihen, wenn ihr dort übernachtet. Kostenlose Parkplätze stehen vor Ort zur Verfügung.

Parkhotel Tjaarda

Sehr ruhig und schön gelegenes Hotel in Oranjewoud mit guter Küche sowie Innenpool und Wellness-Center.

Weitere Infos und Buchungsmöglichkeit über booking.com.

Feiner Heilbutt im Grand Café des Parkhotels Tjaarda 

Bosk - Wandernder Wald in Leeuwarden

Bis zum 14. August ist der Wald in Leeuwarden unterwegs, bevor die Bäume in und um Leeuwarden dauerhaft eingepflanzt werden.

Die Karte mit der Route sowie den Kalender für die begleitenden Veranstaltungen findet ihr hier auf der Website von Arcadia.

Fries Museum

Die Ausstellung À  la Campagne ist bis zum 17. Juli 2022 zu sehen. Fertile Grounds kann man sich noch bis zum 10. April 2023 ansehen. Es gibt auch noch einige andere zeitliche und dauerhafte Ausstellungen im Fries Museum, die einen Besuch lohnen.

• Adresse: Wilhelminaplein 92, Leeuwarden
• Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag, 11 – 17 Uhr
• Eintritt: € 15,-, Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren gratis

Miniature People Leeuwarden

Michel Tilma steht hinter dem Projekt mit den Miniaturen, die es seit einigen Jahren in Leeuwarden zu entdecken gibt. Die Figuren sind rund 1 - 1,5 cm groß und verstecken sich in Mauerritzen und Fensternischen. Es gibt für € 2,- eine Routenkarte zu kaufen oder man nutzt die Karte bei Google Maps (grüne Markierungen = Bosk-Tour). Infos findet ihr dazu hier. 

Boutique Hotel Catshuis

Sehr zentral gelegenes Hotel mit fünf großen komfortablen Zimmern mit Kühlschrank sowie Kaffee- und Teemöglichkeit. Check-in und Frühstück im Grand Café Fire nebenan. Parkmöglichkeit im Parkhaus Oldehove oder im Parkhaus Zaailand beim Fries Museum

• Adresse: Nieuwestad 49, Leeuwarden
• Weitere Infos und Buchungsmöglichkeit über booking.com.

Restaurant Sophias, Urban Bistro & City Garden

Feine Küche für Lunch und Diner sowie Häppchen beim Glas Wein oder Bier

• Adresse: Lange Marktstraat 1, Leeuwarden

Stek

Nettes kleines Bistro im ehemaligen Brückerwärter-Häuschen. Leckere kleine Gerichte für die Mittagspause oder den Snack zwischendurch mit schöner Aussicht auf die einfahrenden Boote nach Leeuwarden.

• Adresse: Harlingersingel 2, Leeuwarden 

Auf der Terrasse von Stek bekommt man nicht nur leckeres Essen, man hat auch eine tolle Aussicht 

Hinweis: Arcadia besuchten wir auf Einladung von Visit Friesland.

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