Pferde galoppieren über weite Flächen, ein Hirsch mit mächtigem Geweih röhrt lautstark und ein Seeadler dreht majestätisch seine Runden. Wer den Film Die Neue Wildnis gesehen hat, hat diese fantastischen Bilder im Kopf. Aber wie sieht die Realität aus?

Genauso! Aber während eines einzigen Besuchs sieht man eben nur einen winzig kleinen Teil davon. Das Filmteam hat 2 Jahre im Naturschutzgebiet Oostvaardersplassen gedreht, um aus Hunderten Stunden Filmmaterial die 97 faszinierendsten Filmminuten heraus zu filtern. Alles an einem Nachmittag sehen zu wollen, ist ein bisschen viel verlangt.

oostvaardersplassen

Wir sehen dennoch eine ganze Menge. Unsere Zeit ist leider begrenzt, darum beschränken wir unseren Besuch auf den trockenen Teil des Schutzgebietes. 3600 Hektar von den insgesamt 5600 Hektar sind feuchtes Marschgebiet mit großen Wasser- und Rietgebieten, ein perfektes Rückzugsgebiet für unzählige Vogelarten. Die großen Huftiere bleiben meist auf dem Trockenen, nur die Hirsche wagen sich ab und zu ins Nass.

Rund 2000 Hirsche sind es momentan, dazu kommen Konik-Pferde und Heck-Rinder mit mächtigen Hörnern. Nach ein bisschen Suchen bekommen wir alle 3 Arten zu Gesicht. Jetzt nach dem Winter sehen die Tiere etwas mager aus, aber bei den Pferden wurden die ersten Fohlen schon geboren. Ein Zeichen, dass es der Herde gut geht.

Viel Grün ist auch noch nicht zu entdecken Anfang April, der Naturpark erinnert eher an eine afrikanische Savanne. „Im Sommer sieht es hier ganz anders aus“, erzählt uns Gerard van Breemen vom Staatsbosbeheer, dem niederländischen Forstamt. Dann ist alles Grün und das Gras steht so hoch, dass man die kleineren Tiere kaum sieht.

oostvaardersplassen pferde Pferde im Gebiet der Oostvaardersplassen

oostvaardersplassen fohlenStute mit Fohlen

„Die Natur braucht nicht uns, wir brauchen die Natur“, hieß es in TV-Umweltspots Anfang der 80er Jahre. Auch der Förster Hans Breeveld antwortet mit diesem Satz, als wir ihn nach den kritischen Stimmen über die Größe des Tierbestands im Naturgebiet fragen. „Was ist viel?“, fragt er weiter, „in den Oostvaardersplassen gibt es die Anzahl Tiere, für die das Nahrungsangebot reicht. Die Natur regelt das selbst.“

Dass es im Winter schon mal knapp werden kann und der angefressene Winterspeck nicht ausreicht, ist ebenfalls Natur. Und ob wir das als Menschen schön finden oder nicht, auch der Tod gehört dazu. Täglich werden die Tierbestände im Winter von den Förstern kontrolliert. Sehr abgemagerte Tiere, die den Winter nicht überleben würden, werden nach einem strengen internationalen Protokoll abgeschossen, um unnötiges Leiden zu verhindern.

Nachdem über Jahre hinweg, die Anzahl der großen Huftiere wuchs, nimmt sie inzwischen etwas ab. Das saftige Gras im Sommer lockt immer mehr Gänse in das Naturgebiet, es kommt dadurch zu einem vermehrten Konkurrenzkampf der Tierarten um das Futter. Wie sich das in den nächsten Jahren entwickelt bleibt abzuwarten. Für alle Beobachter ist es sehr spannend, wie die Natur in dem relativ neuen Gebiet ihre Balance findet.

Hans BreeveldFörster Hans Breeveld erklärt uns die Oostvaardersplassen

Unter den Beobachtern sind aber nicht nur die Fachleute vom niederländischen Forstamt oder Naturkundler. Auch normale Besucher können von vielen Aussichtspunkten rings um, weit in das Naturschutzgebiet hineinschauen. Sehr viele Tiere kann man sogar vom Zug aus sehen, denn an die Züge, die direkt an den Oostvaardersplassen vorbeifahren, haben sie sich längst gewöhnt.

Vor unserem Jeep, mit dem wir auf dem Gelände unterwegs sind, nehmen die Hirsche Reißaus. Erst in sicherer Entfernung bleiben sie stehen und schauen neugierig zu uns zurück. Mit Autos oder Fußgängern haben sie eher selten zu tun, denn der Naturpark ist für Besucher größtenteils gesperrt. Nur geführte Touren, wie heute die Unsrige, werden innerhalb des Schutzgebietes angeboten. Wenn ich mir die riesigen Hörner der Rinder ansehe, die vor uns am Wegesrand stehen, ist das auch ganz gut so.

oostvaarders hirscheEine Herde Hirsche

oostvaardersplassen rinderRinder mit mächtigen Hörnern

Im Normalfall geht es zu Fuß mit einem Förster auf Exkursion, manchmal auch mit dem Elektro-Fahrzeug. Zum Vögel beobachten, auf Foto-Safari oder auf der Suche nach den Pferden, Hirschen oder Rindern. Die Touren starten an einem der beiden Besucherzentren, im Osten des Parks bei Lelystad oder im Westen bei Almere. Hier gibt es nicht nur viele Informationen, sondern auch ein Café zur Stärkung.

Ringsum, entlang der Randgebiete des eigentlichen Schutzgebietes, wurden frei zugängliche Erholungsgebiete eingerichtet. Hier kann man wandern, Rad fahren, picknicken und von den erhöhten Ausgangspunkten die Tiere im Schutzgebiet beobachten.

Ein Radweg führt ganz um das Naturschutzgebiet Oostvaardersplassen herum. 35 km sind es, also leicht zu schaffen. Den habe ich mir für meinen nächsten Besuch vorgenommen, denn ich komme auf alle Fälle noch einmal wieder. Vielleicht sehe ich ja dann einen Seeadler über mir kreisen.

 Oostvaardersplassen BesucherzentrumBesucherzenter De Oostvaarders bei Almere

 

Reiseinfos

Besucherzentrum De Oostvaarders, Oostvaardersbosplaats 1, Almere
Geöffnet täglich von 10 – 17 Uhr, zu Fuß vom kleinen Bahnhof Almere Oostvaarders erreichbar

Buitencentrum Oostvaardersplassen (Besucher- und Informationszentrum), Kitsweg 1, Lelystad
Geöffnet von Dienstag bis Sonntag von 10 – 17 Uhr, von November bis März nur bis 16 Uhr
Mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht erreichbar.

Aktivitäten und Exkursionen können teilweise über die Website oder telefonisch gebucht werden. Die Informationen auf der Website sind leider momentan nur auf Niederländisch verfügbar. Telefonisch oder per E-Mail bekommt man Informationen auch auf Englisch oder Deutsch.

 

Hinweis: Die Oostvaardersplassen besuchte ich im Zuge einer Pressereise, organisiert von Toerisme Flevoland und dem Niederländischen Büro für Tourismus & Convention.

oostvaardersplassenAussicht auf die Oostvaardersplassen

Pferde im Naturschutzgebiet OostvaardersplassenPferde im Liebesrausch

Rind OostvaardersplassenRind mit imposanten Hörnern im Schutzgebiet Oostvaardersplassen

 

Update 9.2.2018: Wir sind jetzt beinahe 3 Jahre weiter und die kontroverse Diskussion (siehe Kommentare mit Links unten) über die Idee und Umsetzung des Naturgebiets Oostvaardersplassen ist immer noch groß. Die Tiere (vorallem Hirsche, Rinder und Pferde) vermehren sich enorm. Als ich kürzlich mit dem Zug vorbeigefahren bin, habe ich sehr große Herden gesehen. Das hat dazu geführt, dass jetzt im Winter 700 Tiere abgeschossen wurden, um zu vermeiden, dass sie verhungern. Denn die Anzahl der Tiere wächst, aber das vorhandene Gebiet und somit die Nahrungsquelle kann nicht größer werden. 

Update 11.12.2018: Im Sommer wurde beschlossen, die Anzahl der großen Tiere in den Oostvaardersplassen sehr einzuschränken und auf maximal 1500 Tiere zu halten. Die Anzahl der momentan vorhandenen Rinder wird beibehalten, ein Teil der Pferde wird gefangen und auf andere Naturgebiete verteilt. Die Zahl der Hirsche wird auf ca. 500 zurückgebracht. Vor dem Einfangen der Hirsche wurde abgeraten, da sie in die Sumpfgebiet flüchten und verletzten würden, deshalb werden die Hirsche abgeschossen. Auch aufgrund der Zufütterung im letzten Winter hat sich die Anzahl der Hirsche schnell erhöht, sodass jetzt 1830 Tiere abgeschossen werden, um die maximale Anzahl zu erreichen. Gestern wurde mit dem Abschuss begonnen.

 

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