Die Provinz Flevoland scheint noch etwas flacher zu sein als der Rest der Niederlande. Die einzigen Erhebungen sind die Deiche entlang der Ufer von IJsselmeer und Ketelmeer. Der Wind bläst hier beinahe ungebremst über das Land. Zum Glück für uns heute meist von hinten. Eine Radtour mit „wind mee“, wie die Holländer sagen, also Rückenwind, macht es für uns um einiges leichter.
Entspannt können wir die Aussicht auf das Stück neues Niederlande genießen. Auf saftig grüne Polder und das blaue Wasser des IJsselmeers. Der Noordoostpolder, wo unsere Radtour beginnt, wurde erst 1942 trockengelegt. Das Land wurde der Zuiderzee damals mühsam abgerungen. Früher wäre ein Ruderboot für unsere Tour nötig gewesen, heute können wir lekker radeln.
Wir sind nicht die Einzigen, die heute mit dem Fahrrad unterwegs sind. Zum 200. Geburtstag des Fahrrads sind wir nur ein Team von insgesamt 20, die bei der 200-km-Fahrrad-Staffel durch die Niederlande mitmachen. Etwas mehr als 47 km ist unsere Route lang vom Noordoostpolder bis nach Lelystad.
Ein Hofladen und viel Wind
Zur Stärkung gibt es zu Anfang erst einmal Kaffee und hausgemachten Apfelkuchen von Frau Renne. Auf ihrem Bauernhof werden Gäste aber nicht nur mit leckerem Apfelkuchen verwöhnt, ein ganzer Hofladen voller leckerer Produkte aus der Region lädt zum Kaufen ein. Wir würden ja gerne ein Stück Fleisch von den hofeigenen Weiderindern mitnehmen, aber bei dem sonnigen Wetter und ohne Kühlgelegenheit ist das keine gute Idee.
Dass die Familie Renne nicht nur Bauernhof kann, beweist uns Sohn Rob. 11Beaufort nennt sich das Informationszentrum über den Windpark im Noordoostpolder, der nur durch eine Tür vom Hofladen getrennt ist.
Ungefähr 1,4 Milliarden kWh Strom pro Jahr wird mit den 38 Windrädern an Land und den 48 im Wasser des IJsselmeers im Jahr erzeugt. „Das reicht für 400.000 Haushalte“, erklärt uns Rob. Auch andere interessante Details erfahren wir von ihm. Oder wusstet ihr, dass so ein Kopf, an dem die Rotorflügel festgemacht werden, enorme 15 Meter hoch ist und 700 Tonnen wiegt?
Theorie ist aber nur eine Sache. Im Infozentrum kann man auch die Praxis austesten. Wie schnell und wie lange muss man radeln, um sein Handy aufzuladen, ist nur eine Frage, die man dort ganz praktisch erfahren kann. Den Unterschied zwischen Windstärke 3, 4 und 6 erleben wir im Windkanal hautnah und unmittelbar auf Knopfdruck.
Flevoland, wir kommen
Einige Minuten später kann man den Wind leider nicht mehr abstellen. Die Natur kennt da nichts und hat auch kein Mitleid mit uns Radfahrern. Aber mit Windstärke 6 haben wir heute Gott sei Dank nicht zu tun und nur am Anfang der Radtour bläst uns der Wind ins Gesicht.
Nach einigen Kilometern erreichen wir Schokland und wir ändern unsere Fahrt-Richtung - Rückenwind!
Schokland, die Insel ohne Wasser, habe ich schon vor einiger Zeit besucht und euch auch schon ausführlich vorgestellt. Heute, dank Skandinavienmarkt, gesperrten Radwegen und unnachgiebigen Kartenkontrolleuren, streifen wir die ehemalige Insel nur am Rande. Durch frisches Grün und süßlich duftendem Raps radeln wir nach Schokkerhaven ans Ketelmeer.
Weiße Segeljachten strahlen hier im Jachthafen in der Sonne. Das Ketelmeer ist ein Teil der Randseen, die den Flevopolder zur Insel machen und vom Festland trennen, und ein perfekter Ausgangspunkt für einen Segeltörn auf dem IJsselmeer.
Nach einer kurzen Mittagspause im Restaurant Pier 16 im Hafen, mit wunderschöner Aussicht auf Boote und Wasser, fahren wir frischgestärkt am See-Ufer entlang Richtung Ketelbrücke. Wir haben den schönen Radweg am Deich entlang praktisch für uns alleine und mit dem Wind im Rücken und der Sonne im Gesicht macht das Radeln richtig Laune.
An der Brücke angekommen haben wir direkte Sicht auf den Windpark von dem uns Rob Renne am Morgen im Infozentrum 11Beaufort erzählt hat. Viele Menschen sind nicht so begeistert von den 200 m hohen Windrädern vor der eigenen Haustür, aber eigentlich sehen sie doch richtig schön aus. Schlank und weiß leuchtend mit knallblauem Hintergrund.
Wer weiß, vielleicht pilgern die Touristen in hundert Jahren hierher, wie heute die Touristen zu den Windmühlen von Kinderdijk.
Die Tulpenfelder, an denen wir kurz darauf vorbeiradeln, sind heute schon ein Touristenmagnet. Die Tulpensaison ist beinahe zu Ende, aber Hunderttausende haben in den letzten Wochen die Speicherkarten ihrer Kameras mit Tulpenfotos gefüllt. Ja, auch ich gehöre zu dieser Spezies der Tulpenfotografen. Und das jedes Jahr aufs Neue.
Endspurt
Natürlich habe ich mich wieder zu lange zwischen den Tulpen aufgehalten. Die Kaffeepause, die wir eigentlich am Ufer des IJsselmeers eingeplant hatten, müssen wir gegen einen kurzen Fotostopp eintauschen. Aber das Restaurant Aan ut Water in der Marina mit Terrasse und toller Aussicht auf den See mit den vielen Segelschiffen sieht vielversprechend aus.
Bei eurer Radtour solltet ihr also ein bisschen mehr Zeit einplanen als wir.
Denn auch am Zielpunkt in Lelystad gibt es noch einiges zu sehen. Hier an der Bataviawerf liegt eine Replika des historischen Segelschiffes Batavia des VOC, der Niederländischen Ostindien-Kompanie. Das Schiff kann, wie auch die dazugehörige Werft, wo gerade ein anderes Schiff gebaut wird, besichtigt werden. Ich habe das vor Jahren, als es noch keinen Nach-Holland-Blog gab, mal gemacht und kann es euch auf alle Fälle empfehlen.
Für uns geht es jetzt zurück in die Veluwe zum Ferienpark Landal Miggelenberg, die Zentrale unserer Fahrradstaffel durch die Niederlande. Hier kommen alle Teams, mehr oder weniger müde vom Radeln, aber stolz und mit leichtem Sonnenbrand im Gesicht, wieder zusammen. Unsere 200-km-Staffel Lekker Radeln ist erfolgreich geschafft.
Dinner im Wald
Zur Feier des Tages und als Belohnung für die vielen Radkilometer wartet am Abend ein Überraschungsdinner auf uns. Es geht mitten in den Wald und in tollem Ambiente werden wir dort in einem Zelt empfangen. Regionale und wahrlich köstliche Wurstspezialitäten werden aufgetischt. Nach einer cremigen Selleriesuppe wartet als Hauptgang ein ehemals glückliches Schwein auf uns, das im Big Green Egg, diesem eiförmigen Profi-Grill, zubereitet wurde.
Das ein oder andere Glas Wein und die unterschiedlichen Lekkerradeln–Erlebnisse machen den Abend komplett. Perfekt!
Reiseinfos Radtour Flevoland
Radtour von Nagelen bis nach Lelystad
Länge: 47,62 km
Knotenpunkte: Start bei 11Beaufort - 10 - 52 - 98 - 37 - 87 - 21 - 61 - 47 - 85 - Restaurant Pier 16 - 39 - 68 - 11 - 79 - 81 - 82 - 70 - 75 - 76 - 77 - 78 - 96 - Restaurant Aan ut water - 40 - 34 - 33 - Ankunft Bataviawerf
Fahrzeit: ca. 3,5 - 4 Stunden reine Fahrzeit, wenn man gemütlich unterwegs ist (die in der Routenbeschreibung angegebenen 2:48 h sind eher für die sehr sportlichen Radfahrer)
Die Route mit den Knotenpunkten könnt ihr euch hier ausdrucken oder als GPS-Route herunterladen. Die Route ist sehr gut ausgeschildert, ihr müsst nur den Wegweisern mit den Nummern folgen.
Stopps unterwegs
11 Beaufort und Hofladen Renne
Adresse: Domineesweg 11, Nagele
Öffnungszeiten: Montag bis Samstag 8.30 – 18 Uhr, am Samstag bis 17.30 Uhr
Restaurant Pier 16
Adresse: Schokkerhaven 1, Nagele
Öffnungszeiten: von April bis September werktags ab 11 Uhr, am Wochenende ab 10 Uhr
von Oktober bis März Mittwoch bis Freitag ab 16 Uhr und am Wochenende ab 10 Uhr
Restaurant Aan ut water
Adresse: Flevo Marina,IJsselmeerdijk 17, Lelystad
Öffnungszeiten: von 11 – 21.30 Uhr
Bataviawerf
Adresse: Flevo Marina,IJsselmeerdijk 17, Lelystad
Öffnungszeiten: täglich von 10 – 17 Uhr
Eintritt: 5,- Euro für die Werft und 11,- Euro für Schiff und Werft; Kinder von 4 bis 12 Jahren die Hälfte
Sonstige Tipps und Infos
Unser zentrales Quartier von dem die verschiedenen Teams aufgebrochen sind, lag in der Veluwe. Natürlich wurden wir bis zu unserem Startpunkt chauffiert, die Veluwe ist nämlich von der Radstrecke in Flevoland ein ganzes Stück entfernt. Aber dennoch möchte ich euch diese Infos nicht vorenthalten. Allgemeine Reise-Infos findet ihr auch hier auf der Website unter Veluwe
Dinner im Wald
Organisiert vom Hotel und Tageszentrum Van der Valk De Cantharel in Apeldoorn. Das Dinner findet in einem Zelt im Wald statt, einen kurzen Fußweg vom Hotel entfernt, und kann auch privat für Gruppen gebucht werden. Übernachten kann man im Hotel natürlich auch, zu buchen z.B. über booking.com.
Landal Miggelenberg
Wir waren in einigen Ferienhäusern dort im Ferienpark untergebracht. Der Park liegt sehr schön im Grünen, sozusagen mitten im Wald. Die Ferienhäuser gibt es in verschiedenen Größen und Komfortklassen in bewährter Landal-Qualität.
Weitere Infos findet ihr hier auf der Website unter Veluwe oder direkt auf der Website von Landal.
Last but not least – die Fahrräder
Wir waren mit tollen (Leih-) Rädern von Santos unterwegs. Reise-Fahrräder, mit denen man vermutlich auch eine halbe Weltumrundung machen könnte. Die aber auch ein kleines Vermögen kosten.
Aus eigener Erfahrung kann ich euch jedoch sagen, die Radtouren in Holland kann man auch mit einem alten klapprigen Fahrrad ohne Gangschaltung machen. Also schwingt euch in den Sattel!
Die Radtouren der Fahrrad-Staffel und die Berichte der anderen Teams könnt ihr auf der Website lekkerradeln.de nachlesen. Viel Spaß!
Hinweis: Die Lekker Radeln 200-km-Fahrradstaffel wurde durchgeführt vom NBTC, dem Niederländischen Büro für Tourismus & Convention. Herzlichen Dank für die Einladung und ein dickes Danke an MediaMixx für die Organisation, an Landal für die Unterbringung und an Tourisme Flevoland für die schöne Tour!
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