„Wo in aller Welt sind die Städte kleiner als die Dörfer? Na, in Friesland natürlich.“ Der Satz, den die friesische Marketingorganisation zur Umschreibung ihrer elf Städte nutzt, lässt erahnen, dass wir auf unserer Tour weniger mit Großstadtflair, sondern eher mit Charme und Idylle zu tun bekommen.

Eine halbe „Elfstedentocht“ steht auf unserem Reiseplan. Mit Harlingen, Sneek, Bolsward, Stavoren, Workum und Hindeloopen besuchen wir immerhin sechs der elf Städte. Und sechs Brunnen. Denn zu den elf Städten gehören auch die 11Fountains. Ein spannendes Kunstprojekt, das wir uns nicht entgehen lassen wollen.

Tour durch Friesland

Auf dem Abschlussdeich

Schon beim Überfahren der Provinzgrenze ist klar - Wasser spielt in Friesland eine wichtige Rolle. Eine sehr Wichtige sogar. Wenn über 40 % der Provinz aus Wasser besteht, ist das auch kein Wunder. Wir reisen aus Süd-Holland an und fahren über den Abschlussdeich nach Friesland. Mit dem Wattenmeer links und dem IJsselmeer rechts, ist dieser Umstand offensichtlich.

Bei einem kurzen Stopp im neu gebauten Afsluitdijk Wadden Center bekommen wir noch etwas Hintergrundinformation. Immer wieder faszinierend finde ich die Fotos und Dokumente über den Bau des Abschlussdeiches. Kaum vorstellbar mit wie viel Aufwand und Handarbeit der Bau dieses rund 30 km Deiches mitten im Meer vor nicht einmal 100 Jahren verbunden war.

friesland waddencenter aussicht

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Entdeckungen in Sneek

Für uns geht es weiter nach Sneek. Nicht unser erster Aufenthalt in diesem Städtchen, vor Jahren waren wir mit dem E-Bike hier und etwas später haben wir auf unserer Hausboot-Tour dort Halt gemacht. Heute haben wir uns mit Ko Smorenburg verabredet, der uns nicht nur etwas über die Geschichte von Sneek erzählen kann, sondern uns auch die eine oder andere Besonderheit zeigt.

Es ist gerade Sneekweek. Eigentlich ein Wassersport-Event auf den nahegelegenem Sneekermeer, aber Sneek ist in dieser Zeit Festivalgebiet mit zahlreichen Musik-Podien und einem Jahrmarkt. Jetzt am Morgen ist es noch ruhig, zahlreiche verwaiste Bierzapfstellen lassen jedoch auf eine feuchtfröhliche Party in der vergangenen Nacht schließen.

Wir interessieren uns weniger für die Festlichkeiten, sondern eher für historische Gebäude und Fassaden. Schon im 15. Jahrhundert entwickelte sich die Stadt, dank der Lage an einer Durchfahrtsroute, bereits zu einer wichtigen Handelsstadt. Viele Bauten aus dieser Zeit sind nicht erhalten geblieben, die berühmteste Ausnahme ist dabei der Waterpoort, ursprünglich aus dem Jahr 1492. Heute ist das Stadttor das Wahrzeichen der Stadt.

Prächtige Häuser der reichen Händler und Kaufleute, die im 18. und 19. Jahrhundert gebaut wurden, gibt es noch reichlich in Sneek.  Und auch den allerersten C&A entdecken wir dank Ko. Die Brüder Clemens und August Brenninkmeijer kamen Mitte des 19. Jahrhunderts aus Westfalen nach Sneek und eröffneten dort nach Jahren im Tuchhandel ihr erstes Geschäft für Konfektionskleidung. Die Fassade ist noch historisch, das Geschäft selbst sieht leider aus, wie jeder andere C&A auch.

Auf dem Weg Richtung Jachthafen, wo wir zu mittagessen wollen, haben wir noch die Möglichkeit einen Blick in die St. Martinuskirche zu werfen. Obwohl sie von Pierre Cuypers gebaut wurde, finde ich sie von außen eher unscheinbar. Aber was für ein Kontrast erwartet uns im Inneren. Hohe Säulen dekoriert mit gemalten Backsteinchen in kräftigen Farben und wunderschöne Glasfenster auf denen verschiedene Heilige dargestellt werden. Wenn ihr Mal die Gelegenheit dazu habt, schaut dort unbedingt mal rein.

friesland sneek

friesland sneek stadhuis

sneek c&a

sneek kirche

Streetfood und der erste Brunnen

Aber jetzt ab ins BUUR, ein Café und Streetfoodbar direkt am Wasser. Ich mag die Einrichtung und auch der Blick auf die Auslage an der Theke lässt Köstliches erahnen. Es gibt Fingerfood, Bowls und auch Flammkuchen. Wir entscheiden uns für Burger und Hot Dog. Beides mit regionalen Zutaten und mit einem etwas exotischen Touch. Lecker!

Natürlich kehren wir Sneek nicht den Rücken ohne noch einen Blick auf den Brunnen zu werfen. Mit einem goldenen Füllhorn im Arm steht ein Mann auf einer sich drehenden Kugel. Das Wasser, das den Wohlstand symbolisiert, strömt dabei je nach Drehung mal mehr mal weniger aus dem Horn. Der deutsche Künstler Stephan Balkenhol, der diesen Brunnen des 11Fountain Projekts entworfen hat, wollte damit die wechselvolle Geschichte von Aufschwung und Niedergang der Stadt Sneek im Laufe der Jahrhunderte bildlich darstellen. Und meiner Meinung nach, ist ihm das gut gelungen.

Der Brunnen liegt gleich hinter dem Waterpoort und somit an einem der vielen Wasserwege, die Sneek mit dem Umland und der Küste verbindet. Früher wurden darauf die Waren transportiert, heute schippern darauf meist Freizeitkapitäne umher.

sneek, café und bar buur

sneek, buur hotdog

friesland 11fountains sneek

Segeltörn ans IJsselmeer

Auch wir wollen aufs Wasser und uns Friesland aus einer anderen Perspektive ansehen. Und so haben wir uns für den Weg zum nächsten Brunnen für eine Bootstour entschieden. Genau genommen für einen Segeltörn. Vielleicht etwas frech, denn wir können gar nicht segeln. Aber wir haben Dick. Dick Maljers beherrscht das Segeln nämlich aus dem FF und nimmt uns mit von Heeg über das Hegermeer und die Fluessen bis nach Stavoren.

Es geht ein ordentlicher Wind. Schaum bildet sich schon auf den Wellen und wir kommen ganz schön in Schieflage.“Alles ganz normal, DAS ist Segeln“, versichert mir Dick und lässt kein Zeichen von Verunsicherung erkennen. Das beruhigt auch ein Landei wie mich und ich beginne Wind und Wellen zu genießen.

Jetzt in der Hauptsaison gibt es einen regen Schiffsverkehr. Viele deutsche Flaggen entdecke ich unterwegs an den Segelschiffen und Motorjachten, die hier in allen Größen und Formen unterwegs sind. Überall lachende Menschen an Bord, die einem freundlich zuwinken. Ich glaube, ich könnte mich ans Segeln gewöhnen, vielleicht sollte ich doch endlich mal einen Segelkurs in Angriff nehmen.

Noch vor der Schleuse hinaus aufs IJsselmeer legen wir an. Stavoren ist heute ein sehr beschauliches kleines Städtchen. Von den glorreichen Zeiten als Seefahrer- und Handelsstadt, in denen Stavoren selbst Mitglied der Hanse war, ist nicht mehr viel zu entdecken. Einen Hafen gibt es jedoch noch immer, auch wenn nach dem Bau des Abschlussdeiches dieser jetzt nicht mehr an der Zuiderzee, sondern am IJsselmeer liegt.

friesland segeln

friesland segeltörn

11Fountains

Auch Stavoren gehört zu den elf Städten von Friesland und hat seit 2018, dem Jahr als die friesische Hauptstadt Leeuwarden Europäische Kulturhauptstadt war, einen der elf Brunnen, der 11Fountains.

Kunst, genauer gesagt die Zeichnung „Die großen Fische fressen die kleinen“ von Pieter Bruegel der Ältere, war die Inspiration für den „Fisch vor Stavoren“ des amerikanischen Künstlers Mark Dion. Für die Hafenstadt Stavoren, in der über Jahrhunderte Seefahrer und Fischer zuhause waren, schien ihm ein überdimensionierter Fisch, der einen in sein Inneres lockt, genau das richtige. Ich finde den Fisch auf alle Fälle witzig und auch den Touristen um uns herum scheint er zu gefallen.

Überhaupt fällt mir bei allen Brunnen auf, dass die Besucher nicht nur schauen, sondern auch ihren Spaß haben. Es wird viel fotografiert, gelacht, geplanscht und auch, wenn möglich und erlaubt, bestiegen.

Beim Brunnen in Hindeloopen ist das Klettern sogar regelrecht erwünscht. Das alte Stadtwappen bot hier die Inspiration für die chinesische Künstlerin Shen Yuan. Statt dem Hirsch und der Hirschkuh selbst, die den Lebensbaum im Stadtwappen umgeben, wählt sie überdimensionierte hölzerne Geweihe. Sitzend auf dem großen Hirschgeweih hat man einen guten Blick auf die Paradiesvögel in den Ästen des Lebensbaums, die sich sozusagen wasserspeiend unterhalten.

Im Vorfeld am skeptischsten war ich beim Brunnen in Workum. Ich hatte schon Fotos des Brunnens mit den beiden Löwen gesehen und ihn als ziemlich hässlich abgetan. Wie überrascht bin ich, als ich dann vor den „wüsten Löwen von Workum“ der britischen Künstlerin Cornelia Parker stehe. Positiv überrascht.

Statt des Stadtwappens, das die Löwen auf historischen Abbildungen zwischen ihren Pranken halten, wird jetzt Platz gelassen für die Realität. Zwischen den Löwen hindurch haben wir Sicht auf das Zentrum der Stadt und natürlich auf die Kinder, die unter den Wassersprühern Abkühlung suchen und ihren Spaß haben. Etwas seltsam schauen die Löwen übrigens auch auf dem historischen Wappen, da kann die Künstlerin gar nichts dafür.

friesland 11fountains stavoren

friesland 11fountains hindeloopen

friesland 11fountains workum

Der Standort und die Geschichte des Ortes spielten bei den Entwürfen aller elf Brunnen eine große Rolle. In Bolsward steht der Brunnen an markanter Stelle vor der Fassade einer abgebrannten Kirche. Der belgische Künstler Johan Creten wählte für seinen Brunnen passend dazu eine Fledermaus, die symbolisch sowohl für düstere als auch für positive Kräfte steht.

Ich bin wirklich begeistert von diesem Brunnen. Nicht nur weil in das Kunstwerk witzigerweise auch eine Treppe eingebaut ist, die zum Besteigen und „Überwinden“ der negativen Kräfte gedacht ist. Auch die Kirche, die eigentlich nur noch aus Außenmauern und einem gläsernen Dach besteht, ist nicht nur perfekter Hintergrund, sondern ein Kunstwerk an sich. Ein tolles spannendes Gebäude, das die einfallenden Sonnenstrahlen in einen wahrlich magischen Ort verwandeln.

Mit Brunnen Nr. 6, dem „Walfisch“ in Harlingen, beenden wir unsere heutige 11Fountain-Tour. Etwas versteckt im Wasser im Nieuwe Willemshaven entdecken wir den Pottwal in Lebensgröße. Das Künstlerpaar Allora & Calzadilla aus Puerto Rico verweist damit auf die Walfang-Vergangenheit der Stadt. Der Pottwal in Harlingen jedoch lebt! Ab und an bläst er einen Wasserstrahl in die Luft und lässt seinen Walgesang hören.

friesland 11fountains bolsward

friesland 11fountains harlingen

Ausklang in Harlingen

Viel Muse, um seinen Lauten zu lauschen, haben wir jedoch nicht mehr. Wir haben ordentlichen Hunger, uns treibt es ins Restaurant Nooitgedagt. Zum Draußensitzen ist es jetzt am Abend schon etwas frisch, also verziehen wir uns nach drinnen. An einen Tisch oben im ersten Stock, gleich neben der offenen Küche.

Ich schaue immer gerne dem Treiben in der Küche zu. Wie es dort auf und zu geht, sagt meist viel über die Atmosphäre im Restaurant. Die Stimmung dort scheint gut und auch sonst ist das Ambiente in diesem gut besuchten Restaurant in historischem Gemäuer sehr nett. Die Bedienungen sind sehr freundlich und dazu unglaublich flott. Mit bewundernswertem Geschick balancieren sie riesige Teller die steile Treppe rauf und runter.

Heute haben wir so viel Wasser gesehen, das macht Lust auf Fisch. Zur Vorspeise essen wir Aal, der hier regional gefangen und auch geräuchert wird. Vielleicht ist er sogar von Ale de Jager, bei dem ich schon vor zwei Jahren Aal probieren durfte. Danach gibt es eine ordentliche Portion Muscheln in einer thailändischen Soße auf Kokosbasis und eine große Dorade aus dem Ofen. Einfach köstlich.

Satt, zufrieden und auch ziemlich müde machen wir uns auf den Weg in unser Hotel. Gott sei Dank sind es nur ein paar Meter bis ins Hotel Harlingen. Ein wunderbares Bett wartet dort auf uns und ein leckeres Frühstück am nächsten Morgen.

Aber für heute ist jetzt Schluss. Von unserem Tag in Harlingen erzähle ich euch ein anderes Mal.

harlingen nooitgedagt

harlingen nooitgedagt dorade

 

Was wir an unserem 2. Tag in Friesland erlebt haben, erfahrt ihr unter "Auf Entdeckungstour in Harlingen" im Nach-Holland-Blog.

 

Reiseinfos

Viele Infos über das touristische Angebot in Friesland findet ihr auf der deutschen Version von Website friesland.nl. Die Infos zu den Brunnen, den 11fountains gibt es hier. Und hier auf Nach Holland gibt es noch einiges über die Friesischen Elf Städte.

Einen Einblick in das Thema Wasser bekommt ihr im Nach-Holland-Blog unter Die Niederlande und das Wasser.

 

Afsluitdijk Wadden Center

Afsluitdijk 1c, Kornwederzand

Öffnungszeiten: täglich von 10 bis 18 Uhr
Eintritt gratis, Audiotour auf Deutsch € 4,50

 

Ottenhome Heeg

It Butlân 2, Heeg

Vermietung von Segelbooten und Schaluppen, Segelkurse und mehr

 

BUUR sneek

1e Oosterkade 24, Sneek

Hippes Café, Bar, Streetfood mit Terrasse am Wasser
Geöffnet Mittwoch bis Sonntag ab 10 Uhr

 

Eetcafé Nooitgedagt

Grote Bredeplaats 35, Harlingen

Gemütliches Café, Restaurant mit Terrasse.
Täglich geöffnet ab 11 Uhr

 

Hotel Harlingen

Voorstraat 18, Harlingen

Kleines Hotel in historischem Gebäude mit individuell eingerichteten Zimmern. Sehr zentral im Ortszentrum gelegen.
Große Zimmer, gute Betten und prima WLAN. Es gibt keinen Aufzug. Leute, die Probleme beim Treppensteigen haben, sollten daher vorab besser nach einem Zimmer im Erdgeschoss fragen.

Zimmer können auch über booking.com gebucht werden.

 

Hinweis: Auf Entdeckungstour in Friesland waren wir auf Einladung der Marketingsorganisation Merk Fryslân.

hindeloopen

 

 

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