Es sind rund 8 km von meiner Wohnung bis ins Zentrum von Rotterdam. In 98 % aller Fälle nehme ich das Fahrrad, um diese Distanz zu überbrücken. Für die anderen 2 % nutze ich die Metro. Mit dem Auto fahre ich eigentlich nie. Wenn ich an einem Samstagnachmittag an der Schlange Autos vorbei radele, die mehr stehen als fahren, weiß ich auch warum.

Es gibt verschiedene Radwege, um in Rotterdams Zentrum zu kommen. Alle haben sie ihre Eigenheiten, ihre Vor- und Nachteile. Die Spanne reicht von ruhig und gemütlich bis zu spannend, mit einem Hang zum Hektischen. Welchen ich nehme, entscheide ich ganz nach Lust und Laune.

radweg

Wie so oft in Holland kreuzt Wasser meinen Weg nach Rotterdam. Das heißt, es gibt einige Nadelöhre, durch die man hindurch muss. In meinem Fall ist das normalerweise die Mathenesser Brücke. Dann kommt die Entscheidung - rechts, links oder geradeaus. Den linken Weg nehme ich eher selten, eigentlich nur, wenn ich zum Bahnhof muss oder ein Zoobesuch ansteht. Er ist ein bisschen langweilig und nicht gerade meine Lieblingsroute.

 

Rechts ist es zwar nicht aufregend, aber sehr schön. Die Mathenesserlaan ist sehr breit und wie in einer „laan“ üblich, gibt es links und rechts Bäume. Große Platanen sind es hier und zu jeder Jahreszeit ist es ein bisschen anders, um unter den großen Baumkronen zu radeln. Frisches, saftiges Grün empfängt mich im Frühjahr, ein dichtes, schattenspendendes Laubdach im Sommer und viele Farbnuancen von Rot und Gelb im Herbst. Selbst im Winter, mit kahlen Ästen, sind diese großen Bäume in der Stadt ein wunderschöner Anblick.

Was diese Straße auch so besonders macht, sind die Häuser, die dort stehen. Nicht viele Straßen in Rotterdam können mit Herrenhäusern, die rund 1900 gebaut wurden, aufwarten. Hier findet man sie, die typisch holländischen Backsteinfassaden. Schmal und hoch, mit wunderschönen Details und eindrucksvollen Haustüren aus Holz. Schon früher wohnten hier keine armen Leute und auch heute gehören die Bewohner meist zu den Besserverdienenden. Verhältnismäßig viele Namensschilder, auf denen Rechtsanwaltskanzlei, Notar oder Steuerberater steht, findet man neben den Türen.

radweg haeuser

radweg haus

radweg tuer

Eine Vielzahl an Baustilen gibt es hier. Die Spannbreite reicht von Neorenaissance über den Jugendstil bis hin zum Neuen Bauen. Passenderweise kommt man direkt zum Niederländischen Architekturinstitut, dass jetzt nur noch Das Neue Institut heißt, wenn man den Weg bis zum Ende folgt.

Vielleicht bleibt man aber auch beim Wester Paviljoen hängen, einer sehr beliebten Cafébar an der Kreuzung mit dem Nieuwe Binnenweg. Dank Terrassenheizung ist der Platz vor der Kneipe eigentlich bei jedem Wetter gut besucht und die Gäste und auch ich lieben es, dort zu sitzen und dem Treiben auf der Straße zuzuschauen.

radweg cafe

Ganz etwas anderes erwartet einen, wenn man sich zu Anfang für geradeaus entscheidet. Gemütlich und ruhig geht es in der Vierambachtsstraat nicht zu. Es gibt zwar auf einem Großteil der Strecke einen sehr guten Fahrradweg, aber immer wieder wird dieser spontan auch von Fußgängern genutzt oder er ist mit großen Kartons einer Warenlieferung verstellt. Hier pulsiert das Leben, es gibt viele kleine Geschäfte, Kneipen und Snackbars. Hier begegnet einem die Welt, denn internationaler kann eine Straße kaum sein.

Und da fängt mein Problem an, wenn ich hier entlang radele. Ich bin die ganze Zeit so mit Herumschauen beschäftigt, dass meine Verkehrssicherheit etwas darunter leidet und ich schon mal einem Bordstein zu nahe komme. Aber eigentlich liebe ich diese Straße, denn es ist wie Reisen. Und nicht nur ein bisschen, es ist mindestens eine halbe Weltreise.

 

Die Reise beginnt in der Türkei. Links die Moschee, rechts der Dönerladen. Dazwischen allerlei Krimskrams, Teppiche, Koffer und Plastikblumen. Es mischt sich etwas Marokko unter. Vielleicht gibt es auch eine strikte Trennung, aber für mich ist die Unterscheidung nicht immer einfach. Bei der Kopftuchmode lässt es sich etwas ablesen. Türkinnen tragen es eher bunt und locker, Marokkanerinnen einfarbig und eng am Kopf. Aber vielleicht gibt es ja auch Variationen dazwischen.

Langsam wechseln wir nach Pakistan und Indien. Räucherstäbchen, Ganesha Figuren und Blumengirlanden quirlen aus dem Eckladen links. Schöne Saris in leuchtenden Farben und mit Glitzersteinchen besetzt gibt es im Schaufenster rechts. Ich komme bei meinem Lieblings-Pakistani vorbei, wo es diesen unglaublich leckeren Spinat gibt und dieses feurige Curry.

Die Hautfarbe der Fußgänger wird dunkler. Wir sind in Suriname angekommen und auch die naheliegenden Antillen sind hier vertreten. Surinamer Goldschmuck, Langhaarperücken und seltsames Knollengemüse gewinnen die Oberhand. Fetzen in Papiamento schwirren durch die Luft, die Sprache, die so viele Sprachen vereinigt und für mich doch so unverständlich ist.

radweg saris

radweg peruecken

radweg toko

Der nächste Übergang ist fließend, aber dennoch wechseln wir den Kontinent. Statt lateinischer Buchstaben prangen jetzt Schriftzeichen aus Asien über den Schaufenstern. Japanisches Sushi, chinesische Wunderdoktoren und asiatische Supermärkte mit einem hervorragenden Warenangebot gibt es hier. Wer chinesisches Essen sucht, wird hier, in der Chinatown von Rotterdam, auf alle Fälle fündig.

Moderne Hochhäuser kündigen es schon von einiger Entfernung an. Ich bin angekommen im Zentrum von Rotterdam. Die Lijnbaan, eine der Einkaufsstraßen von Rotterdam, mit den internationalen Modeketten, die es in jeder Stadt in Europa gibt, befindet sich gleich dahinter. Und hier am Schouwburgplein sind wir auch wieder in Holland angekommen. Oudhollandse Oliebollen gibt es hier und gleich nebenan typisch holländische Kroketten und Patat.

radweg oliebollen

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