[Anzeige]  Mit der Stadt Neom will Saudi-Arabien eine Megastadt in die Wüste setzen, wie die Welt sie noch nicht gesehen hat – und diese soll weitgehend autofrei und umweltgerecht funktionieren.

In den Niederlanden stapelt man zwar etwas tiefer, dafür hat die autofreie Zukunft im hiesigen Houten bereits begonnen.

houten fahrradstadt, foto: Maarten HartmanFahrradstadt Houten, Foto: Maarten Hartman

Wenn Dörfer zu zukunftsweisenden Städten werden, …

…denkt man als Erstes an das fernöstliche China. Die Beispiele von ehemaligen Fischerdörfern, die mittlerweile auf die Größe von Megacitys angewachsen sind, sind mannigfaltig. In der Nähe der niederländischen Großstadt Utrecht gibt es allerdings ein europäisches Beispiel, das auch für die Nachbarländer Vorbildcharakter hat.

Noch in den 1980ern war Houten ein Dorf, doch mittlerweile fühlen sich hier gut 50.000 Menschen pudelwohl. Ein Länderkennzeichen brauchst du natürlich auch, wenn du die niederländische Stadt Houten besuchen möchtest, doch für dein Auto ist am Rande des Stadtzentrums Schluss. Stattdessen geht es für dich ab hier zu Fuß oder mit dem Fahrrad weiter.

Um Houten zu verstehen, lohnt sich ein Blick in die Vergangenheit. Da die Gemeinde in der Nähe der Universitätsstadt Utrecht liegt und eine gute Bahnanbindung besitzt, wurde der Ort als Wachstumskommune ausgewiesen. In den späten Achtzigern und frühen Neunzigern ist ein neues Stadtzentrum entstanden, um das sich zahlreiche moderne, eng bebaute Wohnsiedlungen gruppieren.

 

Fahrrad hat Vorfahrt

Seit dem Beginn dieser Ausbauphase hat man hier nicht den Autoverkehr, sondern die Fahrradfahrer im Blick. Jan-Peter Westein, Vorsitzender des Radfahrerverbandes der Stadt, ist von dem Konzept komplett überzeugt, wie er bereits 2017 in einem Gespräch mit Deutschlandfunk Kultur erkennen ließ:

„Vor der ersten Wachstumsphase hat sich die Gemeinde für eine Infrastruktur entschieden, bei der die Fahrradfahrer sich innerhalb der Gemeindegrenzen sehr einfach von A nach B bewegen können. Autos aber, die von einer Siedlung in eine andere wechseln wollen, müssen erst von ihrem Wohnviertel aus raus auf einen Rundweg und können auch nur von diesem Rundweg aus, in ein anderes Viertel hineinfahren.“

Man hat sich also ganz bewusst nicht für ein Autoverbot entschieden, die Fahrradfreundlichkeit stand aber immer im Vordergrund. Das hat zur Folge, dass man im Allgemeinen innerhalb der Stadt mit dem Fahrrad schneller als mit dem Auto unterwegs ist. 

Das Radwegenetz besteht aus acht Fahrradrouten, die quer durch die Stadt führen. Diese Routen sind farbig markiert und deutlich ausgeschildert, sodass man ganz einfach und schnell seinen Weg durch die Stadt findet. Es gibt zwar durchaus Straßen, die sich Autos und Fahrräder teilen. Hier müssen die Autofahrer den Radfahrern jedoch den Vortritt lassen und die Geschwindigkeit dem Fahrradverkehr anpassen. An Stellen, wo die Radwege sich mit dem Rundweg für die Autos kreuzen, wurden Tunnel oder Brücken angelegt, damit sich Autos und Fahrräder nicht in die Quere kommen.

houten fahrradstadt netzwerk, foto: Maarten HartmanWegweiser Radwegenetz der Stadt Houten, Foto: Maarten Hartman

houten fahrradstadt fietstunnel, foto: branko collinGetrennte Wege für Autos und Fahrräder, Foto: Branko Collin

Die Welt schaut nach Houten

Wenn du Houten besuchen möchtest, wirst du wahrscheinlich auf viele andere Gäste aus aller Welt treffen. Jeroen Pater, der Sprecher der Houtener Gemeindeverwaltung, weiß um den Vorbildcharakter der Stadt, wie er im Deutschlandfunk Kultur berichtete: „Ich weiß gar nicht, wie viele Besucher wir schon aus Asien hier zu Gast hatten. Ganze Busladungen mit Japanern und Chinesen waren schon hier. Viele Architekten, Studenten, Stadtentwickler und Verkehrsexperten aus der ganzen Welt interessieren sich für Houten. Für die sind wir ein gutes Vorbild und Studienmaterial.“

Natürlich mussten sich auch die hier wohnenden Menschen erst einmal an die neuen Gegebenheiten gewöhnen und die Einzelhändler zeigten sich anfangs sehr skeptisch. Genau wie viele Händler in Deutschland nicht begeistert waren, als die ersten Fußgängerzonen eingerichtet wurden, fürchteten auch die Houtener einen Kundenschwund.

Allerdings kam es keineswegs zu finanziellen Einbußen, eher im Gegenteil. Am Rande der Stadt gibt es zahlreiche gut erreichbare Parkmöglichkeiten, die zu fairen Konditionen genutzt werden können. Die ersten beiden Stunden parkt man in den Houtener Parkhäuser sogar gratis. Deshalb kommen inzwischen sogar immer mehr Leute aus der Umgebung, aus Nieuwegein oder Utrecht, zum Bummeln und Shoppen in die Stadt.

 

Potenzial für Veränderungen

Den klassischen Verkehrsinfarkt wie in anderen Städten, wird man in Houten aus naheliegenden Gründen nicht erleben. Nicht zuletzt aufgrund des sich stark verändernden Zweiradmarktes wird sich jedoch auch Houten an neue Anforderungen anpassen müssen.

Fahrradlobbyist Jan-Peter Westein spricht die wichtigsten Punkte klar an: „Der Transportverkehr durch Fahrräder – sogenannte Bakfietsen – wird zunehmen. Es werden größere Lieferräder in der Stadt unterwegs sein. Und die Technik verändert sich. Denken Sie nur an das Speed-Pedelec, das schnelle E-Bike, mit dem die Leute locker 40 Kilometer pro Stunde fahren können. Die werden auch mehr und mehr für den Weg zur Arbeit genutzt.“

Es bleibt also spannend. Fakt ist jedenfalls: In Houten hat man auf dem Weg in die Verkehrswende bereits einen großen Vorsprung. Wer will da noch behaupten, dass man mit dem Auto schneller vorankäme?

bakfiets Das "bakfiets" ist in den Niederlanden nicht mehr wegzudenken, Foto: NBTC

Hinweis: Dieser Artikel entstand in Zusammenarbeit mit Seeders GmbH.

 

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